Bürgerenergiegenossenschaften und Energiegemeinschaften gestalten beidseits des Rheins die Energiewende aktiv mit. Der Wunsch, selbst anzupacken, verbindet die deutschen und französischen Akteure in ihrem Bestreben nach einer erneuerbaren Energieversorgung Europas. Bürgerenergie ist für die Landesregierung in Baden-Württemberg eine wichtige Säule für die gesellschaftlich getragene Energiewende. Seit 2020 fördert das Baden-Württembergische Umweltministerium mit dem Unterstützungsprogramm “Bürger voller Energie” zielgerichtet die Bürgerenergiegenossenschaften im Land bei ihrer Weiterentwicklung. Auch der grenzüberschreitende Erfahrungsaustausch gehört dazu.
Startpunkt der Exkursion war die Stadt Kehl am Rhein. Nach einem kleinen Willkommensfrühstück ging es per Bus los. Von Seiten der Organisatoren begrüßte Dr. Franz Ecker, Koordinator der Unterstützungsprogramms “Bürger voller Energie”, im Auftrag des Baden-Württembergischen Umweltministerium die Teilnehmenden und stimmte sie auf die Exkursion ein. Auch Dr. Martin Sacher vom Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau und Dr. Lioba Markl-Hummel, Geschäftsführerin der Ortenauer Energieagentur, begrüßten die Teilnehmenden und stellten die Aktivitäten ihrer Organisationen vor.
Während der Fahrt im Bus zu den französischen Stationen ging Coline Lemaignan von Alter Alsace Energies in ihrem Beitrag auf die Bedeutung der bürgergetragenen Energiewende im Elsass ein. Im Speziellen stellte sie das regionale Bürgerenergienetzwerks GECLER in der Region Grand Est vor, welches bereits mehr als 50 Bürgerenergiegenossenschaften umfasst. Mit ihrer Bitte „Haben Sie noch Geduld“, wieß Madame Lemaignan auf den Umstand hin, dass die Bürgerenergie-Bewegung in Frankreich im Vergleich zu Deutschland sehr viel jünger sei und viele Projekte gerade erst am Entstehen sind. Voller Optimismus blickt sie nach vorn.
Angekommen in der französischen Region Saverne besichtigten die Teilnehmenden die erste Station, die Photovoltaikanlage auf der Kläranlage in Bouxwiller. Claude Salmon, Präsident der Centrales Villageoises du Pays de Saverne, erläuterte die Besonderheit der Anlage, die auf die Deckung der Grundlast hin optimiert ist. Monsieur Salmon und seine Mitstreiter hegen zukünftig den Wunsch ein Projekt zum kollektiven Eigenverbrauch zu entwickeln, um gemeinschaftlich Strom zu erzeugen und zu verkaufen.
In Neugartheim-Ittlenheim, weiter südlich, erwartete die Teilnehmenden eine größere Photovoltaikanlage auf einem Hallendach eines Bauernhofs. Das Besondere an der Anlage ist weniger der technisch-energetische Aspekt als vielmehr die beteiligten Organisationen. Die deutsch-französische Gesellschaft Altora PV wurde, wie Bernard Goetschy darlegte, von der französischen Genossenschaft „Énergies Partagées en Alsace“, der deutschen Genossenschaft aus Freiburg „Fesa Energie Geno“ und dem Bürgerfonds „Énergie Partagée Investissement“ gegründet. Altora PV ist damit ein echtes Beispiel für eine grenzüberschreitende Kooperation.
Zurück in Kehl erwartete die Teilnehmenden während der Mittagspause zwei Programmbeiträge. Johannes Lischke und Helga Schmidt, die beiden ehrenamtlichen Vorstände der BürgerEnergie Kehl eG, präsentierten ihre Aktivitäten und machten auf den Knackpunkt aufmerksam, dass die zukünftige Entwicklung ihrer Genossenschaft ganz im Wesentlichen davon abhängt, geeignete Dächer für den wirtschaftlichen Betrieb von PV-Anlagen zu erhalten oder andere Geschäftsmodelle wie die Elektromobilität zu entwickeln. Im zweiten Programmbeitrag stellte Didier Kahn von den „Brasseurs d’Energie“ die Aktivitäten seiner sehr jungen Bürgerenergiegenossenschaft aus Strasbourg dar, die ihre erste Anlage gerade erst im August installiert hat. Neben der Akquise von Finanzkapital wird die zukünftige Entwicklung der „Brasseurs d’Energie“ laut Monsieur Kahn davon abhängen, ausreichend energietechnisches Know-How innerhalb der Mitglieder aufzubauen.
Im Bus zur letzten Station nach Oberharmersbach stellte Lukas Winkler vom Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband die aktuelle Situation vieler Bürgerenergiegenossenschaften im Land dar. Mit dem Auslaufen der garantierten Einspeisevergütung sieht Herr Winkler die Notwendigkeit „in sich selbst zu investieren und sich auch intern weiterzuentwickeln“. So lassen sich neue Geschäftsmodelle jenseits von Photovoltaik umsetzen, damit sich die Bürgerenergiegenossenschaften zu „Energiewende-Unternehmen vor Ort“ entwickeln können.
Sehr beeindruckend war die Besichtigung des Heizhauses des Nahwärmenetzes in Oberharmersbach. Bernd Zimmermann, Vorstand der BürgerEnergiegenossenschaft Oberharmersbach eG, erläuterte mit viel Detailwissen die Entstehung des Nahwärmenetzes zur Versorgung von über 120 Gebäuden mit erneuerbarer Wärme aus Waldhackschnitzel aus der nahen Umgebung. Als entscheidend hatte sich die offene Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort erwiesen, die den Grundstein für Vertrauen und Akzeptanz gelegt hatte.
Ziel der Exkursion war es, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei der Umsetzung von gemeinschaftlichen Projekten beidseits des Rheins zu beleuchten, die deutschen und französischen Akteure zusammenzubringen sowie den Erfahrungsaustausch untereinander zu fördern. Die Vorträge und Diskussionen wurden simultan auf Französisch und Deutsch übersetzt. So konnten sich die Teilnehmenden während der Fahrt im Bus oder auch vor Ort bei der Besichtigung der Stationen austauschen und miteinander ins Gespräch kommen.
Am Ende waren sich alle einig, dass das Ziel der Exkursion erreicht wurde: Projekte und Akteure beidseits des Rheins miteinander bekannt zu machen, um gemeinschaftlich die Europäische Energiewende aus Bürgerhand voranzubringen.
Ein paar Eindrücke: